Daten als Business-Modell im Internet
“Daten sind das neue Öl”. Wenn alte Geschäftsmänner auf Podien von der Digitalisierung oder vom Internet sprechen oder in Zeitungen ein Interview geben, dann fällt früher oder später dieser Satz. Gemeint ist damit, dass die Daten, die im Internet entstehen, sehr viel Geld wert sind und dass Unternehmen gemerkt haben, dass es sich lohnt, Daten im Internet zu erheben oder zu kaufen und mit solchen Daten zu arbeiten.
Was sind Daten? mit Daten werden in diesem Zusammenhang entweder Spuren beschrieben, die von Nutzern im Internet hinterlassen werden oder aber Eigenschaften (Datenspuren), welche die Nutzer des Internets aufweisen. Wichtige Datenspuren für ein Unternehmen können z.B. Kommentare sein, die Nutzer auf Facebook hinterlassen, welche Websites jemand regelmässig besucht oder die Zeit, die Nutzer in einem Online-Shop verbringen und was ein Nutzer auf einer Webseite alles anklickt. Wichtige Nutzer-Eigenschaften sind z.B. Alter, Geschlecht und Einkommen von Internetnutzern. Daten sind also Informationen.
Grundsätzlich können Daten einem Unternehmen helfen, sein Produkt oder seine Dienstleistungen zu verbessern, was schlussendlich auch den Kunden zugutekommt. Zusätzlich können Daten bei der Gestaltung von Werbemassnahmen im Internet und über digitale Medien helfen. Dafür sind mehrere Kanäle möglich:
- Marktforschung durch Analysedaten (Wer sind unsere Kunden? Wer interessiert sich für unser Produkt?).
- Produkt- und Dienstleistungsverbesserungen durch Kundenfeedback (Ratings, Kommentare, Kontaktaufnahme).
- Produkt- und Dienstleistungsverbesserungen durch Analysedaten (Wer interessiert sich für unser Produkt? Welche Eigenschaften haben diese Leute?).
- Analyse von Werbe-Effektivität (Wird Werbung angeklickt? Wie oft? Von wem?)
- Gezieltes Ansprechen (targeting) von Kunden, die einem bestimmten Profil entsprechen (Werbung für Windeln soll nur bei Eltern angezeigt werden und nicht bei Jugendlichen).
Daten führen damit für Unternehmen zu sehr attraktiven Möglichkeiten, um Informationen zu gewinnen. Während früher z.B. mit Telefon-Umfragen Daten nur sehr mühsam und teuer (und noch dazu ungenau) erhoben werden konnten, stehen diese Daten im Internet sehr viel umfangreicher, genauer und günstiger zu Verfügung. Marktforschungsunternehmen rufen entsprechend heute nur noch selten bei den Nutzern zu Hause an, sondern spezialisieren sich darauf, im Internet möglichst viele Daten von Nutzern zu sammeln. Und dies ist inzwischen so einfach geworden, dass auch ganz normale Unternehmen die Möglichkeiten haben, Daten von Nutzern ihrer Dienstleistungen zu erheben.
Wie werden diese Daten gesammelt? Jeder Nutzer, der im Internet auf einer Webseite surft, hinterlässt dabei Spuren, die der Betreiber dieser Webseite einsehen und speichern kann (welche Spuren das sind und wie die gespeichert werden, wird im nächsten Kapitel erklärt). Das Gleiche gilt für Software auf Computern und Apps auf Mobiltelefonen. Zusätzlich kann der Betreiber einer Webseite mit so genannten Cookies und Trackern auch Dritten erlauben, die Spuren die Nutzer auf einer Webseite hinterlassen zu speichern. Ich könnte auf meiner Webseite also z.B. einem Unternehmen erlauben, Daten über die Besucher meine Webseite zu sammeln, dafür erhalte ich später Zugriff auf diese Daten, schön grafisch aufbereitet. Und diese Informationen erlauben mir dann wiederum meine Webseite zu verbessern oder effektivere Werbung zu schalten.
So haben sich inzwischen viele Unternehmen etabliert, die nicht anderes tun, als sich auf Webseiten “einzunisten” und Daten zu sammeln. So können diese Unternehmen sehr grosse Datenmengen über sehr viele Personen sammeln. Diese Daten werden später verkauft und ermöglichen anderen Unternehmen z.B. gezielte Werbemassnahmen zu planen. Man spricht in diesem Zusammenhang von so genannten Datenbrokern, Unternehmen die Daten sammeln, aufbereiten und weiterverkaufen.
Datenbroker und Webseiten sammeln Daten meistens ohne das der Nutzer bewusst Informationen von sich preisgibt. Bei sozialen Netzwerken ist dies anders, denn da werden wertvollen Daten freiwillig einem Unternehmen zur Verfügung gestellt. Häufig sind sich die Benutzer aber auch dort nicht bewusst, was im Hintergrund mit den Daten geschieht. Und das ist im Grunde das Gleiche wie bei den Datenbrokern: die Daten werden gebündelt und verkauft (bzw. vermietet).
So ist in den letzten Jahren eine Datenwirtschaft entstanden. Vielen Unternehmen haben ein neues Geschäftsmodell entdeckt, mit dem sich sehr viel Geld verdienen lässt: das Handeln mit Daten. Zusätzlich haben sich aber auch für alle anderen Unternehmen viele neue Möglichkeiten aufgetan, wie sie von Daten profitieren können. Gründe ich heute beispielsweise ein Unternehmen und möchte Werbung für mein Produkt machen (z.B. Schuhe), dann muss ich nur definieren, wer meine Zielgruppe ist (Jugendliche von 16 bis 25 Jahren) und kann dann über einen Datenbroker oder ein anderes Unternehmen, dass mit Daten handelt oder über Daten verfügt, bei genau der gewünschten Zielgruppe für mein Produkt werben. Der Vorteil liegt auf der Hand: ich werbe nur bei meiner Zielgruppe und verschwende kein Geld um Werbung bei Leuten zu schalten, die an meinem Produkt sowieso nicht interessiert sind.
Dies erlaubt es Unternehmen, effizienter und effektivere Werbung zu machen. Im Grunde eine gute Sache. Doch es haben sich dabei Praktiken herausgebildet, die bedenklich sind. Im Folgenden ein paar Beispiele und wann dies zu Problemen führen kann.
- Das Sammeln von Daten läuft im Hintergrund. Der Nutzer merkt in der Regel nicht, dass seine Daten erhoben und gespeichert werden. Entsprechend gibt es auch nur sehr selten die Möglichkeit, einer Datensammlung nicht zuzustimmen.
- Datenbroker, soziale Netzwerke und andere Datenkraken sind nicht transparent darüber, welche Daten Sie erheben und geben nur sehr selten freiwillig preis, was sie wissen.
- Diese Unternehmen behandeln gesammelte Daten als ihr Eigentum und verkaufen Kundendaten gewinnbringend weiter ohne die Kunden genügend darüber zu informieren. Um Erlaubnis wird (wenn überhaupt) meistens versteckt in Form von undurchsichtigen AGBs gefragt.
- Unternehmen speichern Kundendaten aber schützen diese häufig ungenügend. Es passiert sehr häufig, dass diese Daten dann gestohlen werden und plötzlich im Internet persönliche Informationen, Kreditkartendaten, E-Mail-Adresse usw. auftauchen, die dann gekauft und/oder benutzt werden können.
Häufig wird das Sammeln von Daten von den Unternehmen als Gegenleistung für eine freie Dienstleistung interpretiert. Beispielsweise sind die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram auf den ersten Blick gratis. Facebook sammelt aber grosse Mengen an Daten, die dann weiterverkauft werden. Im Grunde bezahlt der Nutzer dieser Netzwerke also mit seinen Daten. Dieses Geschäftsmodell hat den folgenden Satz geprägt, der auf viele Dienstleistungen im Internet anwendbar ist: “Ist das Produkt gratis, dann bist du das Produkt”. Dieser Satz stimmt aber nicht wirklich. Wenn im Internet eine Dienstleistung gratis ist, dann bezahlt man meistens mit seinen Daten, das stimmt. Wenn man für eine Dienstleistung aber bezahlt, heisst das noch lange nicht, dass keine Daten erhoben werden, im Gegenteil, man bezahlt dann meistens doppelt, mit Geld und Daten.
Nach der Betrachtung der Grundzüge dieses Geschäftsmodells stellen sich einige Fragen. Dürfen Unternehmen überhaupt Daten über mich sammeln, ohne mich zu fragen? Ist es okay, dass meine Daten ungefragt Eigentum eines Unternehmens werden, welches damit Geld verdient? Kann ich mich wehren, wenn meine Daten missbraucht werden? Kann ich verhindern, dass meine Daten gesammelt werden? (…) Diese Fragen zu beantworten ist nicht einfach. Es gibt gute Argumente, die dafür sprechen, dass die aktuell praktizierte Datensammel-Praxis nicht okay ist. Das folgende Kapitel beleuchtet einige dieser Argumente. Danach folgt eine (etwas technische) Erklärung, wie Tracking im Internet denn eigentlich funktioniert und eine Anleitung dafür, wie man sich schützen kann und welche Massnahmen man treffen kann, wenn man denn der Meinung ist, dass man seine Daten besser schützen möchte.
[Link auf nächstes Kapitel]